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Sonnencreme als Korallenkiller: Wie der UV-Blocker Oxybenzon Ökosystemen schadet

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Dass wir unsere Haut besonders im Sommer zuverlässig vor schädlicher UV-Strahlung schützen sollten, wissen wir. Dass in vielen Sonnencremes Stoffe stecken, die empfindlichen Ökosystemen zusetzen können, wissen wir auch. Nicht umsonst wurde etwa Octocrylen inzwischen aus den meisten Rezepturen verbannt und in Regionen wie Hawaii gänzlich verboten. Warum Korallenriffe durch diese Stoffe geschädigt werden, war bisher aber noch nicht ganz klar. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse darüber, was mit dem ebenfalls oft eingesetzten UV-Blocker Oxybenzon passiert, wenn er auf bestimmte Korallenarten und ihre Mitbewohner trifft.



Krebsprävention, klar – aber was ist mit den Korallen?


Die Korallenriffe der Welt sind vielen schädigenden Einflüssen ausgesetzt. Steigende Wassertemperaturen, die Versauerung der Meere und Verschmutzungen unterschiedlicher Art sind die Hauptgründe für die fortschreitende Zerstörung dieser Ökosysteme. Badende Menschen, die ihre Haut mit Sonnencremes und ähnlichen Produkten vor der gefährlichen UV-Strahlung schützen möchten, bringen dabei ganz unbemerkt Stoffe mit, die für die Artenvielfalt der Korallenriffe schwerwiegende Folgen haben können. In beliebten Badegegenden gehen die Bestände stark zurück – und es siedeln sich kaum noch junge Exemplare an.


Neben einigen anderen Stoffen, die gerne in Sonnenschutzprodukten eingesetzt werden, wird dafür auch Oxybenzon verantwortlich gemacht. Wo vergleichsweise hohe Konzentrationen dieses UV-Blockers im Meerwasser nachgewiesen wurden, sind die bisher artenreichen Korallenriffe nur noch spärlich besiedelt. Nach und nach wird darauf reagiert: Wie das bekanntere Octocrylen wurde auch Oxybenzon inzwischen in mehreren Küstenregionen verboten. Allerdings war noch nicht klar, welcher Mechanismus aus dem für uns Menschen zunächst harmlosen und sogar schützenden Oxybenzon ein solches Problem für die Korallenriffe macht. Die Entwicklung weniger schädlicher Alternativen wurde damit deutlich erschwert.


Teamwork unter Wasser: Algen als Korallenschutz


An der University of Stanford hat sich ein wissenschaftliches Team genauer mit Oxybenzon beschäftigt und konnte jetzt etwas Licht ins Dunkel bringen. Dazu untersuchten sie die schädlichen Einflüsse des Stoffs am Beispiel von Seeanemonen der Gattung Aiptasia. In ihrem Bericht zeigen sie nun, dass das Ausmaß der Schäden durch Oxybenzon vor allem von den Algen abhängt, mit denen die Anemonen in Symbiose leben.


Viele Steinkorallen und verwandte Arten stehen in einem engen symbiotischen Verhältnis mit Einzellern, die sich oft innerhalb der Koralle ansiedeln und ihre Ernährung durch Photosynthese unterstützen. Das hat für beide Seiten Vorteile – wie sich jetzt zeigt, gilt das auch für Wasserverunreinigungen durch Oxybenzon. Aiptasia-Exemplare stecken den schädlichen Stoff deutlich besser weg, wenn sie von solchen Algen besiedelt sind. Vergleichsexemplare ohne Symbiosepartner sterben hingegen innerhalb kurzer Zeit ab. Diese Korallenbleiche wird in den letzten Jahrzehnten in immer größerem Ausmaß an natürlichen Korallenriffen beobachtet. Denn unter großem Stress durch äußere Faktoren stoßen Korallen die Einzeller ab.




Kritische Kombination: Wenn Oxybenzon und Sonnenlicht aufeinandertreffen


Scheinbar ist nicht das Oxybenzon allein das Problem: Anemonen, die dem Stoff ohne gleichzeitige Beeinflussung durch UV-Strahlung ausgesetzt sind, nehmen kaum Schaden. Das Gleiche gilt für Exemplare, die zwar mit UV-Licht bestrahlt werden, aber nicht mit Oxybenzon in Kontakt kommen. Erst die Kombination der beiden Faktoren ist für die Tiere tödlich – innerhalb von 17 Tagen und zu 100 Prozent.


Denn die Anemonen verstoffwechseln das Oxybenzon: Glucoside werden an das Molekül angehängt, das so zu einem phototoxischen Produkt wird. Diese Glucosidkonjugate sind unter UV-Strahlung also giftig für die Tiere. Wenn die Anemonen ausreichend durch Algen besiedelt sind, nehmen diese aber große Teile der Glucosidkonjugate auf – und schützen damit ihre empfindlichen Wirte. Dort, wo Algen als Symbiosepartner fehlen und die Schädigung von Korallenriffen in Form von Korallenbleiche fortschreitet, sind die Tiere den neuen phototoxischen Produkten schutzlos ausgeliefert.


Umso wichtiger ist es also, dass wir nicht nur auf Stoffe wie Oxybenzon in unserer Sonnencreme verzichten, sondern uns auch für die Reduzierung von äußeren Stressfaktoren auf Korallenriffe einsetzen.

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